12.5.24

Die Eiskönigin – Theater an der Elbe, Hamburg, 2.5.2024

Stage Entertainment bietet im Theater an der Elbe mit Die Eiskönigin – Das Musical ein durch und durch magisches Theatererlebnis, das im Herzen des Publikums lebendig wird. 

Anna und Elsa – zwei glänzende Protagonistinnen

Anna ist im Musical eine Wucht. Die direkt aus dem Stück stammende Beschreibung „Wirbelwind mit zwei Zöpfen“ beschreibt vor allem die junge Anna perfekt, aber auch die erwachsene Anna (bezaubernd: Abla Alaoui) ist herrlich quirlig und energiegeladen. Das kommt ihr vor allem in den vielen beschwingten Tanzeinlagen des Musicals zugute (göttlich: Liebe sie öffnet Tür'n), aber auch in ihrem Umgang mit allen anderen Menschen, denen sie zu Beginn uneingeschränkte, entwaffnende Herzlichkeit und Offenheit entgegenbringt. Zudem hat sie einen wachen Geist und ist äußerst schlagfertig, wesentlich mehr noch als in der Filmvorlage, was den ganzen Theaterabend sehr unterhaltsam macht. All das macht Anna zu einer ausgesprochen sympathischen Protagonistin, und es macht von der ersten Minute des Musicals an Spaß, dieser Figur auf der Bühne zuzusehen; nicht zuletzt aufgrund des herausragenden Kindercasts in Hamburg!

Auch Elsas Figur (exzellent: Lucina Scarpolini) ist im Musical weiter ausgebaut worden, aber sie ist im Gegensatz zu Anna nicht durch verstärkte Expressivität, sondern durch vertiefte Introspektion gekennzeichnet. Diese wird vor allem über einige Lieder, die speziell für die Musical-Version von Die Eiskönigin geschrieben worden sind, ans Publikum transportiert. Von diesen Liedern sticht im 1. Akt Gefährlich wenn man träumt hervor, in dem Elsa ihre Gedankengänge während der Krönungszeremonie ausformuliert. Diese Szene ist vor allem visuell sehr eindrucksvoll aufgrund des dynamischen Zusammenspiels der Titelfigur und des Ensembles, das wunderbar vom gelungenen Lichtdesign unterstrichen wird. Dasselbe gilt für Monster im 2. Akt, in dem zusätzlich dazu noch beeindruckende Bühnentechnik zum Einsatz kommt. In diesem besonders dramatischen Lied gibt es inhaltlich erstaunlicherweise sogar einen kurzen „To be or not to be“-Moment („Wär es vorbei, wenn ich nicht wär?“), den Elsa aber überwindet und somit den ersten Schritt in Richtung Heilung nimmt.

Zusätzlich zu diesen beiden Liedern, die Elsas Innenleben erweitern, ist das auf die Beziehung der beiden Schwestern fokussierte Duett Du bist alles, das ihnen hier im Musical endlich die Chance gibt, ihre Gefühle füreinander ausführlich zu kommunizieren, ebenfalls eine gelungene Ergänzung und bildet neben den aus dem Disney-Film bereits bekannten Hits einen der emotionalen Höhepunkte des Musicals. Obwohl das Stück Die Eiskönigin heißt und Elsa diejenige mit den Zauberkräften ist, sind die beiden Schwestern auf der Bühne eindeutig gleichwertige Hauptfiguren. Elsa selbst sagt zu ihrer Schwester am Schluss: „die, die zaubern kann, bist du“, was wunderbar die Selbstlosigkeit, die Anna immer weiter vorantreibt und zu einer Lösung für alle ihr nahestehenden Menschen führt, beschreibt. Es ist eine wahre Freude, ein Musical zu sehen, das nicht nur eine, sondern gleich zwei starke Protagonistinnen, die gemeinsam ihr Trauma überwinden, feiert!

Theater an der Elbe, 2.5.2024

Das Musicalerlebnis im Theater an der Elbe

Das Musicalerlebnis im Theater an der Elbe ist etwas ganz Besonderes – ich habe selten ein Musical gesehen, bei dem emotionale und bombastische Momente so vom Publikum gefeiert werden wie bei Die Eiskönigin. Das liegt bei diesem Musical an zwei Dingen:
Erstens am Publikum, das wohl an den meisten Abenden aus vielen kleinen und großen Disney-Fans besteht, und bei der Vorstellung so richtig „mitlebt“. Ein Abend an dem es im Zuschauerraum mucksmäuschenstill ist, ist im Theater an der Elbe wohl die Ausnahme, aber so etwas wäre hier auch fehl am Platz – ein Publikum das mitlebt, passt bei Die Eiskönigin einfach viel besser zum Theatererlebnis und verstärkt es noch weiter.
Zweitens glänzt das Musical neben den Protagonistinnen und den musikalischen Hits auch mit exzellenten Special Effects. Der Moment, in dem Elsa am Ende vom 1. Akt mit einem Schlag mitten auf der Bühne ihr Outfit verändert, wird fast zum Showstopper, auch wenn er sich mitten in Lass jetzt los befindet. Herausragend ist auch der Moment, in dem Anna im 2. Akt zu Eis erstarrt – eine Verwandlung, die visuell schwierig vom Bildschirm auf die Live-Bühne zu transportieren ist, aber hier mit viel Kreativität umgesetzt worden ist und sich seinen stürmischen Applaus mitten in der finalen Szene wahrlich verdient.

Perfekt ist Die Eiskönigin in Hamburg zwar nicht, aber auch wenn ein paar Dinge hinter den Erwartungen zurückbleiben (Bob van de Weijdeven als Hans fand ich stimmlich eher schwach) und man die amerikanische Originalversion so gut im Ohr hat, dass einige deutsche Textzeilen (die rhythmisch gut passen, aber inhaltlich etwas Anderes als der Originaltext aussagen) etwas gewöhnungsbedürftig sind, so funktioniert das Musical insgesamt sehr gut. Selbst die Lieder, mit deren Inhalt ich nichts anfangen kann – das schrecklich heteronormative Ein paar kleine Macken und das auf den gleichnamigen, mittlerweile nicht mehr existierenden Trend anspielende Hygge – sind mit so viel Verve auf die Bühne übertragen, dass sie live einen gewissen Charme entwickeln.

Gesamtheitlich erklären lässt sich die Magie des Theatererlebnisses im Theater an der Elbe einerseits durch das dort derzeit laufende Musical, andererseits aber auch durch die spezielle Theaterlocation inmitten der Elbe. Mit einem eigenen „Musical Shuttle“ übers Wasser zum Theater gebracht zu werden, ist schon etwas ganz Besonderes, egal ob man dann ins Theater an der Elbe geht, oder ins Theater im Hafen, in dem seit 2001 Der König der Löwen läuft. Somit wird man ohne Aufpreis schon durch die außergewöhnliche Anreise für ein paar Stunden erfolgreich dem Alltag entrückt, was das Musicalerlebnis in Hamburg magisch abrundet.
Für Fans des Musicals heißt es hoffen, dass Die Eiskönigin in Stuttgart (ab November 2024) an diesen Zauber anknüpfen kann bzw. ihr ganz eigenes, besonderes Erlebnis rund um den Musicalbesuch kreieren kann.

Schlussapplaus 2.5.2024