11.4.18

Bat out of Hell - The Musical II. Pro & Contra, Dominion Theatre, London

WAS FUNKTIONIERT & WAS NICHT FUNKTIONIERT

Für Erklärungen von Namen, Inhalt und Themen s. Handlung, Vorlage, Sprache, Themen

Theater, Bühne, Kulissen & Licht

Das Dominion Theatre ist eine fantastische Location für das Bat out of Hell-Musical: mit seiner ungewohnt breiten Bühne bietet es genug Raum für die Erschaffung einer sehr detailreichen Welt. Da der Zuschauerraum des Theaters an seinem breitesten Punkt allerdings noch breiter als die Bühne selbst ist, laufen alle Zuschauerinnen und Zuschauer, die am Rand sitzen, bei jedem Musical Gefahr, ständig Requisiten im Blickfeld zu haben (vor allem je weiter vorne man sitzt).
Bei Bat out of Hell wurde für dieses Problem eine elegante Lösung bzw. Verbesserung gefunden: die Hauptaction auf der Bühne findet auf einem (von oben gesehen) auf der Spitze stehenden Quadrat statt. Die linke vordere Ecke der Bühne (wo sich der Mini-Pool befindet) wird nur selten genutzt und die rechte vordere Ecke beherbergt den Dirigenten, der von dort aus sowohl einen Blick auf die Bühne als auch auf das Orchester unter der Bühne hat.  Was auf der rechten hinteren Bühnenseite (Falcos Wolkenkratzer) passiert, wird in vielen Szenen live mitgefilmt und gekonnt auf die Kulisse der linken hinteren Bühnenhälfte (The Deep End) projiziert, wenn diese gerade nicht verwendet wird – und genauso vice versa.
Die Bühnenbilder sind statisch, und obwohl sowohl das Deep End als auch der Wolkenkratzer nie ganz verschwinden, so gelingen trotzdem alle Szenenwechsel sehr überzeugend mithilfe von eingeschobenen Wänden und Kulissen und dem Auftauchen der Rockband, die im Deep End oftmals live auf der Bühne spielt.

Am beeindruckendsten ist in Bat out of Hell mit Abstand die Szene in der Strat während dem Titellied spektakulär mit dem Motorrad verunglückt, was schon am Ende des 1. Akts für Standing Ovations sorgt. Man kann sich einen Motorradunfall auf einer Musicalbühne mit der ikonischen Musik von Jim Steinman ausmalen wie detailreich auch immer und so oft man will, aber man wird sich niemals den überwältigenden Anblick ausmalen können, den man hier im Dominion Theatre in dieser dramatischen Szene geboten bekommt.

Aufgrund des Einsatzes von verschiedenen Beleuchtungskörpern, die zeitweise in den Publikumsraum gerichtet sind, hat man bei vielen imposanten Szenen (All revved up, Bat out of Hell, I'd do anything for love) den Eindruck, dass man sich nicht nur aufgrund der Musik auf einem Rockkonzert befindet. Dazu trägt auch noch die Tatsache bei, dass Strat und Falco oftmals normale Mikrofone benutzen und diese während der Performance an deren Kabeln um ihre eigenen Köpfe herumwirbeln, was bei mir jedes Mal für Angst um die Augen und Zähne der Hauptdarsteller gesorgt hat, allerdings auch wahrhaftig sehr „cool“ aussieht.


Choreografie des Tanzensembles

Ein Tanzensemble ist meiner Ansicht nach etwas, das für ein Musical mit so starkem Rockkonzert-Charakter großteils überflüssig ist – und leider ist die Choreografie von Bat out of Hell wirklich der stärkste Kritikpunkt: sie ist meiner Meinung nach einfach „ergänzt“ und nicht in das Musical integriert worden. Bei nur sehr wenigen Liedern ist sie passend zur Thematik der Szene gestaltet worden (z.B. bei Bat out of Hell), während die – nichts mit der erzählten Story zu tun habende – Choreografie in anderen Szenen einfach nur deshalb funktioniert, weil sie sehr beschwingte Lieder untermalt, wie z.B. bei Out of the frying pan and into the fire, You took the words right out of my mouth und Dead ringer for love.

Aber in vielen Szenen ist sie leider so unpassend wie ein Zirkuszelt auf einem Friedhof, und bewegt sich auf einer Skala von „vollkommen unnötig“ (Objects in the rear view mirror) bis zu „was zum Henker hat diese Choreo mit dem Lied zu tun?“ (Paradise by the Dashboard light).
Auch wenn die Choreografie des Tanzensembles bei Objects in the rear view mirror zum Glück erst bei der dritten Strophe einsetzt, so ist sie dort immer noch ablenkend genug. Diese Rockballade lebt alleine durch die Ausdruckskraft der Musik und des Sängers; und die Vermittlung der Geschichte und die melancholische Stimmung der ganzen Szene wird hier von einem zusätzlichen Element nur verdorben.
Bei Paradise by the Dashboard light hatte ich mir erhofft, dass man den beiden Protagonisten „trotz“ des schwungvollen Songs zutraut, auch nur zu zweit für genug visuelle Action sorgen zu können – was Sloane und Falco durchaus auch schaffen. Leider haben das die Choreographen nicht gesehen und dem Ensemble hier eine der Szenen-fremdesten Choreografien verpasst, die man sich nur vorstellen kann.
Sehr schade um die viele Arbeit und all die großartigen Tänzerinnen und Tänzer, die bei dieser – diese Produktion überhaupt nicht komplimentierenden – Choreografie mitwirken.


Beziehungen der Protagonistinnen und Protagonisten

Wie ich in meinem letzten Blogbeitrag geschrieben habe, liegt der Hauptfokus des Bat out of Hell-Musicals genau wie jener der Bat out of Hell-Alben von Meat Loaf und Jim Steinman nicht auf dem Handlungsbogen, der alle Lieder zusammenhalten soll (ob beabsichtigt oder unbeabsichtigt), sondern auf der Betrachtung von einzelnen Lebensabschnitten sich liebender Menschen – was die große Herausforderung mit sich gebracht hat, die Beziehungen zwischen den Charakteren in einem Musical möglichst authentisch und gleichzeitig intensiv zu porträtieren.
Und diese Schwierigkeit ist hier auf eine unkonventionelle Art unglaublich beeindruckend gemeistert worden!
Einerseits sicher deshalb, weil Andrew Polec (Strat) und Christina Bennington (Raven) und Rob Fowler (Falco) und Sharon Sexton (Sloane) genau diese Rollen schon seit über einem Jahr miteinander spielen; andererseits ist es aber auch die brillante Manier in der die facettenreichen Beziehungen dieser Charaktere dargestellt werden. Ich hatte diese Woche das Glück Simon Gordan (eine von Andrew Polecs Understudys zu sehen) und die Chemie zwischen ihm und Christina Bennington war nahezu genauso stark wie jene zwischen ihr und Andrew Polec.

Die Beziehung von Falco und Sloane ist einfacher zu beschreiben, als jene von Strat und Raven, da die zweitgenannte sich erst über den Lauf des Stücks hinweg entwickelt. Falco und Sloane haben schon mindestens 18 Jahre miteinander verbracht, kennen einige ihrer eigenen und des anderen Fehler und Schwächen und haben sich im Alltagstrott auseinandergelebt. All dies wird vermittelt durch kleine Gesten, Blicke, Stimmlagen und natürlich durch die für solche Situationen perfekten Liedtexte von Jim Steinman:
I can still see a vision of you
But it's out of my sight
You're always out of my sight
And I'll never get away from it 
Während uns Falco und Sloane die Seiten einer Beziehung zeigen mit denen wir alle bis zu einem gewissen Grad (aus anderen Geschichten) vertraut sind – vom Nachtrauern einer seit langer Zeit als abgestumpft angesehenen Leidenschaft in Paradise by the Dashboard light bis zum schmerzhaften, noch immer brennenden Verlangen für den anderen in What part of my Body hurts the most – bieten uns Strat und Raven einen völlig neuen Blick darauf, wie man Liebe das erste Mal entdecken kann.

Die Geschichte von Strat und Raven als Paar ist an sich nicht außergewöhnlich – und die Zeit, über die wir sie begleiten, relativ kurz – aber die Art wie die beiden miteinander umgehen, ist es. Als sie das erste Mal miteinander sprechen, in Making love out of nothing at all, gehen beide auffallend vorsichtig miteinander um: umkreisen sich, probieren eine neue Art der Annäherung aus und sind sich offenkundig unsicher. Obwohl sie schon seit einiger Zeit voneinander geträumt haben, fällt keiner der beiden dem anderen einfach in den Arm oder küsst ihn/sie ohne Zustimmung des Gegenübers. Sie machen sich sogar „Safe-Zones“ aus:
Raven: „Hair is safe, nothing transmits through hair but electricity. Shoulders are safe, nothing transmits through shoulders.“
Die glühende Leidenschaft der beiden knistert unter der Oberfläche und offenbart sich auf genauso traumähnliche und unkonventionelle Weise wie die gesamte Atmosphäre des Musicals.
Strat: „I would like your heart to beat as fast as mine, so that our bodies rhyme.“

Als sie sich das nächste Mal wiedersehen, bei For crying out loud, testen sie trotz des offensichtlichen Sinnestaumels, in dem sich beide befinden, noch immer ihre eigenen und des anderen Grenzen aus. Beide verhalten sich in dieser Szene so, wie zwei Menschen, die von unbändiger emotionaler Energie erfüllt sind, aber sich noch immer nicht sicher sind, wie nahe sie ihrem Gegenüber kommen sollen bzw. dürfen. Strat und Raven respektieren sich gegenseitig so sehr, dass sie explizit nach jener fast magischen Einigkeit streben, in der jeder Mensch selbst in einer intensiven Liebesbeziehung keinen Aspekt seines eigenen Individualismus verliert.
Diese unkonventionelle Art und Weise auf die zwei verliebte und zu jedem Zeitpunkt gänzlich gleichberechtige Menschen in Bat out of Hell porträtiert werden, dieses vorsichtige Herantasten an das Thema Liebe und die uneingeschränkte Entscheidungsfreiheit aller Beteiligten ist das Letzte, das ich von einem Rock'n'Roll-Musical, das seinen Anfang in den 70ern genommen hat, erwartet hatte.


Fazit

Bat out of Hell hat mich in einigen prägnanten Punkten enttäuscht: von der Choreographie des Tanzensembles über die – über weite Strecken – durchschnittliche Handlung, die einem dystopischen Jugendroman zu entstammen scheint, bis hin zu einer Menge Musical-Klischees.

Aber in Hinsicht auf den Einsatz von außergewöhnlicher Sprache, auf die gewagte Interpretationsfreiheit und darauf, dass der Hauptfokus des Musicals auf einer möglichst authentischen Darstellung von menschlichen Beziehungen liegt, hat es mir absolut den Boden unter den Füßen weggezogen. Auch ist die Größenordnung von West End-Musicals – überdimensionale Bühnenbilder, die bombastische Lautstärke der Musik und der unbeschreibliche Einsatz von Licht – noch immer nicht selbstverständlich für mich. Und für die übermenschlichen Leistung aller Darstellerinnen und Darsteller Jim Steinmans Songs – von denen nahezu jeder einzelne für sich schon eine 10-minütige Rockoper ist – so über die Bühne zu bringen, finde ich nicht einmal die passenden Worte.

Wer die Chance hat, sollte sich diese transzendente Liebesgeschichten-Sammlung mit Rock'n'Roll-Musik unbedingt dieses Jahr im Dominion Theatre anschauen!


Nachtrag:
Korrekterweise muss erwähnt werden, dass ich „nur“ ein paar Vorstellungen der PREVIEWS (die noch bis 19.4.2018 laufen) im Dominion Theatre gesehen habe – einige Details der Produktion könnten sich also in den nächsten Wochen noch verändern.

10.4.18

Bat out of Hell - The Musical I. Handlung, Vorlage, Sprache, Themen

HANDLUNG

[Achtung: der Spoiler-freie Review beginnt weiter unten bei Vorlage und Einflüsse!]

Pre-Show:
Auf jedem Sitz im Theater liegt eine vierseitige Ausgabe der Obsidian-Times, die die Zuschauerinnen und Zuschauer in die Welt von Bat out of Hell einführt: Obsidian, ein postapokalyptisches Manhattan.


1. Akt:
Strat erzählt von der Zeit bevor er mit 18 Jahren zu altern aufgehört hat: von den Erdbeben, die Manhattan aufs Meer hinausgetragen haben und von den Chemical Wars, die zur Mutation der Lost geführt haben (Love and death and the american guitar).
Strat und die Lost protestieren vor Falcos Wolkenkratzer gegen sein neues Wohnbauprojekt, das ihr Zuhause The Deep End zerstören würde. Strat trifft im Tumult auf Raven, Falcos Tochter, wird aber von Falco davon abgehalten ihr nachzulaufen (All revved up with no place to go/Wasted youth).
Nachdem sich die Lost ins Deep End zurückgezogen haben, beklagt sich Raven bei ihrem Vater darüber, dass er sie von den Lost fernhält, und dass sie das Gefühl hat, in einem Kloster aufgewachsen zu sein. Falco und Ravens Mutter, Sloane, hängen daraufhin missmutig ihren Gedanken über ihre verlorene Jugend nach (Who Needs the Young).
Strat kehrt zum Wolkenkratzer zurück, muss sich allerdings von Ravens Fenster fortstehlen, als Sloane auftaucht. Sloane, die nicht mehr allzu glücklich über ihre Beziehung mit Falco ist, übergibt Raven als frühes Geburtstagsgeschenk die alte Lederjacke ihres Vaters und meint, dass es für ihre Tochter noch nicht zu spät ist, ein aufregendes Leben mit erfüllten Träumen zu führen.
Währenddessen verzehrt sich Strat nach Raven und wird von den Lost dazu animiert ein erneutes Treffen zu planen (Out of the frying pan and into the fire). Einzig Strats Freund Tink, der Probleme hat, sich bei den Lost einzugliedern, da er selber noch nicht einmal 18 ist, ist nicht glücklich über Strats Leidenschaft, da er selbst etwas für Strat empfindet. Und auch Strats Freund Jagwire ist verliebt: in Zahara, die seine Liebe allerdings nicht erwidert (Two out of three ain't bad).
Am nächsten Tag findet Ravens Geburtstagsfeier mit ihren Eltern statt, bei der es zur Auseinandersetzung zwischen Raven und Falco kommt, nachdem Raven ihrem Vater ins Gesicht sagt, dass sie zum Deep End gehen möchte um Strat zu finden – woraufhin Falco schwört, Strat umzubringen, wenn er die beiden zusammen erwischen sollte. Sloane greift ein und erinnert Falco daran, was Leidenschaft für ihn einst bedeutet hat (Paradise by the Dashboard light).
In der folgenden Nacht, in der Raven wie jeden Abend ein Traum-unterdrückendes Schlafmittel bekommen hat, taucht Strat in ihrem Schlafzimmer auf und die beiden lernen sich kennen (Making love out of nothing at all). Sie werden allerdings von Zahara, die undercover für Falco arbeitet, davor gewarnt, dass Falco ist auf dem Weg zu Ravens Schlafzimmer ist.
Strat schafft es, mit Raven zu fliehen, während viele Mitglieder der Lost, die ihnen zur Flucht verhelfen, gefangengenommen werden. Raven entschließt sich allerdings nicht mit Strat zu gehen, da ihr die Drohung ihres Vaters, Strat zu töten, noch in den Ohren klingt. Strat verunglückt daraufhin mit seinem Motorrad (Bat out of Hell).

2. Akt:
Der Großteil der Lost wurde von Falco eingesperrt und gefoltert (In the land of the pig the butcher is king), als Rache für Strats Dreistigkeit – selbst noch nachdem Zahara mit Strats blutigem Shirt seinen tödlichen Unfall bewiesen hat. Raven, die sich bewusst ist, dass alles ihre Schuld ist, trauert daraufhin um Strat (Heaven can wait). Während die Lost im Gefängnis ihre zerstörten Leben beklagen, verhilft ihnen Sloane zur Flucht (Objects in the rear view mirror may appear closer than they are).
Zahara bringt Raven zu Strat, den sie mit Blutspenden (u.a. auch von Raven) am Leben erhalten konnte. Strat ist noch sehr schwach und am Boden zerstört, weil er weite Teile von Obsidian von Zaharas Versteck aus brennen sieht. Gegenseitig können sich Raven und Strat aber forthin aufbauen (For crying out loud).
Zahara verlässt nun endgültig den Wolkenkratzer, da Falco mittlerweile weiß, dass sie zu den Lost gehört, und nimmt Sloane, die erkannt hat, dass Falco außer Kontrolle ist, mit ins Deep End.
Tink, der über Strats Überleben informiert war und Zahara bei dessen Verpflegung geholfen hat, ist wütend auf Raven, weil diese in seinen Augen die Schuld an der ganzen Situation trägt. Er bringt aber die freigelassenen Lost zu Strat, damit alle ihr Wiedersehen feiern können (You took the words right out of my mouth).
In der Nacht erzählt Raven Strat, dass sie endlich zu träumen begonnen hat, und dass sie nun von einer endlosen Prozession von Spiegeln träumt, die sie bald auffressen werden. Tink fleht Strat vergebens an, Raven fortzuschicken, damit wieder alles so sein kann wie vorher, kann jedoch nicht zu ihm durchdringen (Not allowed to love).
Im Wolkenkratzer gestehen sich ein einsamer Falco und Sloane, die dort kurz vorbeikommt, um ihre Sachen zu packen, ihr noch immer füreinander empfundenes Verlangen ein (What part of my Body hurts the most).
Wenig später taucht Tink im Wolkenkratzer auf, um Falco einen Deal anzubieten: Die Rückgabe von Raven im Austausch gegen Frieden mit den Lost – und das Versprechen, dass niemandem bei der Übergabe im Deep End etwas geschehen wird, worauf Falco einwilligt.
Währenddessen wird im Deep End das Wiedersehen und der Bund von Raven und Strat gefeiert (Dead ringer for love). Die Feier wird von der Ankunft Falcos und Tinks unterbrochen. In einem Handgemenge erschießt Falco unabsichtlich Tink und flieht. Strat stößt daraufhin Raven von sich und trauert mit den Lost um Tink (Rock and roll dreams come through).
6 Monate später:
Sloane erzählt, wie sie nach den Ereignissen im Deep End tagelang ziellos umherwanderte und vergeblich versuchte ihre Jugend in ihrem Kopf wiederzufinden, jedoch erkennen musste, dass diese dort nie gewesen ist.
Strat kehrt wenig später zu Raven zurück, während auch Sloane Falco vergibt (It's all coming back to me now). Raven, die nun allerdings weiß, dass sie nicht wie Strat bei 18 Jahren stehen bleiben wird, sondern ganz normal altert, lässt ihn erst nach einiger harter Überzeugungsarbeit in ihr Leben zurückkehren – genauso wie Zahara Jagwire und Sloane Falco, der sich ins Deep End begeben hat, um dort mit Sloane zusammen sein zu können (I'd do anything for love).

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Vorlage & Einflüsse

In meinem CD-Review der Bat out of Hell-Cast CD habe ich schon ein wenig über Komponist Jim Steinmans Musical mit dem Titel Neverland geschrieben, das er bereits in den 70ern auf die Bühne bringen wollte. Aber selbst wenn es ihm letztendlich (u.a.) aufgrund von Urheberrechten verwehrt war, seine originale Vision zu produzieren, so sind die Parallelen von Bat out of Hell zu Peter Pan doch unübersehbar:
Die Lost im Deep End sind J.M. Barries Lost Boys im Neverland (Nimmerland), Tink ist Tinker Bell, Falcos Kugel ist der von Hook vergiftete Kuchen, und Falco landet am Schluss des Stückes sogar im auf der Bühne befindlichen Mini-Pool, der wohl das Meer, in das Hook am Ende von Peter Pan stürzt, symbolisieren soll.
Was für Bat out of Hell zum Glück nicht übernommen worden ist, sind die im 19. Jahrhundert festgefahrenen Ansichten über die Verteilung der Geschlechterrollen von Peter Pan-Autor J.M. Barrie und die Charakterzüge der Protagonisten: Auch wenn Strat und Raven ein bisschen in die Romeo & Julia-Kategorie fallen („wir lieben uns und das ist unser einziger Charakterzug“) so kann ich mit der kleinen Auswahl an Charaktereigenschaften, die wir von ihnen kennen lernen, doch weit mehr anfangen als mit der Überheblichkeit, Dreistigkeit und Starrköpfigkeit Peter Pans und der einzigen Funktion Wendys: der Bezauberung aller männlichen Wesen in Neverland.

Einen starken Einfluss auf die Grundzüge der Hauptcharaktere in Bat out of Hell hatte in meinen Augen eindeutig das Musical We will rock you: Strat ist wie Galileo ein bisschen eigentümlich und liebt es poetische Phrasen zu rezitieren, auf die die Personen in seinem Umfeld nur in Ausnahmefällen eingehen. Allerdings macht seine Eigentümlichkeit Strat nicht wie Galileo zum Außenseiter – seine Freunde akzeptieren ihn so wie er ist. Während Galileo und Scaramouche in We will rock you nur das Ende eines Extrems waren, damit sie das Klischee der Rebellen vollständig erfüllen konnten, sind Strat und Raven in erster Linie einfach menschlich: wie Galileo und Scaramouche voll von unbändiger Energie und verrückten Träumen, aber kein Hollywood-Dartboard auf dem alle Pfeile in den Klischee-Feldern „Weirdo“ und „Rebell“ steckengeblieben sind.
Raven: „Tell me about you.“
Strat: „Do you see those stars? They burn. If they didn't burn, we wouldn't be able to see them. They have to use themselves as fuel. They have to burn themselves up or risk never being seen. I burn like one of those stars.“


Sprache & Philosophie

Wahnsinnig faszinierend am Bat out of Hell-Musical ist in erster Linie die Sprache in der seine gesprochenen Texte gehalten sind.
In vielen Szenen ist sie – ganz nebenbei und völlig ungezwungen – für ein Rock-Musical beeindruckend poetisch:
The sea is watching the sky
The sky is watching the sea
Nothing ever changes
The sea is whipping the sky
The sky is whipping the sea
Nothing will ever happen
...und in anderen Szenen fällt sie dagegen völlig aus dem Schema der „schönen Bühnensprache“ von der wir es im Musical gewohnt sind, dass sie in verständlichen Sätzen gesprochen wird und uns wie ein auf Hochglanz polierter Hollywood-Film klar und deutlich die Geschichte des Stücks vermittelt.
Nicht so bei Bat out of Hell: In diesem Musical verlaufen viele Konversationen (meist jene, in denen eine leicht betrunkene Sloane vorkommt) wie man sie aus dem alltäglichen Leben kennt: mit Pausen zum Nachdenken, Charakteren, die sich gegenseitig ins Wort fallen, unvollendeten Sätzen, förmlichen Fragen, die unbeantwortet bleiben etc.
Was in den ersten Szenen für das West End-Musicalpublikum ungewohnt bzw. (ver-) störend wirken mag, sorgt mit den eingestreuten poetischen Sätzen und einigen mysteriösen Erzählungen, die nie erklärt werden (wie z.B. Ravens Traum, der wohl ihre unbewusste Angst vor dem Altern symbolisiert) für eine rätselhafte, traumähnliche Atmosphäre, die das ganze Stück in einzigartiger Manier einhüllt und es somit durch eine Menge Interpretationsfreiheit erfolgreich von hunderten in klar erkennbarer, bekannter Form gehaltenen Bühnenstücke abhebt.

Mit der Sprache von Bat out of Hell ist auch die Philosophie dieses Musicals verknüpft, die mich erstaunlicherweise oftmals an jene des Man of La Mancha-Musicals erinnert hat: Entgegen meiner Erwartung ist das Bat out of Hell-Musical trotz seiner musikalischen Verhaftung im letzten Jahrhundert nicht durchdrungen von einer Rock 'n' Roll Philosophie aus einer vergangenen Ära, sondern es spricht in vielen Szenen auf zeitlose Art und Weise vorrangig davon, in einer menschlichen Gesellschaft das moralisch Richtige zu tun und die Freiheiten aller Mitmenschen zu respektieren.


Themen & Struktur

Der Fokus liegt bei Bat out of Hell nicht auf der Geschichte, die erzählt wird, sondern darauf, wie Geschichten erzählt werden können: Es ging Jim Steinman hier eindeutig um dieselben Themen, zu denen er seine Lieder – ergo: seine „Manifeste“– verfasst hat. Es geht in erster Linie um Beziehungen zwischen den Menschen, welche Formen diese annehmen können und wie diese sich im Lauf der Zeit verändern.
Wenn man Bat out of Hell auf seine prägnanteste Grundstruktur reduzieren möchte, dann könnte man es auch als Love actually des Musicals bezeichnen, da es genau wie dieser Film einfach eine Reihe von (un-) zusammenhängenden Liebesgeschichten porträtiert.
Aber was Bat out of Hell von den abertausenden durchschnittlichen Liebesgeschichten abhebt, ist, dass es keine Lösung aller Probleme am Ende des Stückes gibt. Zugegeben, es stehen alle Liebespaare Hand in Hand auf der Bühne und singen gemeinsam I'd do anything for love; aber genau den Inhalt dieses Liedes widerspiegelnd, in dem über 10 Minuten hinweg immer wieder neue mögliche Fallen einer Beziehung aufgezeigt werden – und das somit thematisch gesehen endlos ist –, sind sich auch unsere Protagonisten in Bezug auf viele Themen noch immer uneins; geben keine „I will love you forever“-Liebeserklärung ab und steigen sicher nicht in den Himmel des klassischen Happy Endings auf.
Die einzige explizite Aussage über die Zukunft kommt von Strat, die allerdings auch nur lautet: „Raven, I want to spend my life with you. I don't care how old you are.“ – und nichts verspricht.

Das Musical Bat out of Hell ermöglicht uns also genau wie Meat Loaf und Jim Steinmans Bat out of Hell-Alben (u.a.) nur einen Blick durchs Kaleidoskop auf das Thema Liebe: Da gibt es vor allem Leidenschaft und Sehnsucht, aber auch Verzweiflung und ab und zu das Verlangen in die entgegengesetzte Richtung zu rennen.
Bat out of Hell – The Musical hat deshalb leider etwas mit der klassischen Geschichtenstruktur, die ihm verpasst wurde, zu kämpfen: So sehr die Urheber auch versucht haben, all diese Splitter eines menschlichen Lebens mit der Geschichte von Peter Pan zusammenzuhalten – am Ende wird man als Zuschauer doch mit einer Menge loser Fäden und aufwühlender Emotionen zurückgelassen, was für die Katharsis nicht sehr förderlich ist.
Aber wenn uns das Zusammenleben mit anderen Menschen nicht immer zur Katharsis führt, warum sollte es dann einem Musical gelingen, in dem es genau um ebenjenes Thema geht?
But it was long ago and it was far away
Oh god, it seems so very far
And if life is just a highway than the soul is just a car

Um die eigentliche Exekution all dieser Ideen in Bat out of Hell – The Musical geht es in Pro & Contra – Dominion Theatre London.