4.3.24

Rock Me Amadeus – Ronacher, Frühjahr 2024

Das neue VBW-Musical trumpft mit beeindruckendem Bühnendesign, fantastischen Darsteller:innen und mitreißenden Arrangements von Falcos Liedern auf und hat sich seine Standing Ovations bei all meinen Theaterbesuchen bis jetzt durchaus verdient.

Musical Arrangement, Ensemble und Hauptdarsteller

Die Lieder von Rock Me Amadeus sind aufwendig neu arrangiert und werden vom VBW Orchester unter der Bühne und von den Sänger:innen auf der Bühne mitreißend dargeboten. Nahezu alle Stücke sind vom Kreativteam des Musicals, dem Falcos originale Songschreiber angehören, mit dem richtigen Maß an Bombast ausgestattet worden, um seine Musik und sein Leben in eine Bühnenfassung fürs Musiktheater gießen zu können. Dass fast alle Lieder frenetischen Applaus erhalten und dass es nach der Vorstellung Standing Ovations gibt, ist aber nicht nur dem Kreativteam zu verdanken, sondern auch dem exzellenten  Gesangs- und Tanzensemble. Kaum eine Nummer wurde ohne das Ensemble inszeniert, das Falcos Lieder gesanglich mit vielen Stimmen hervorragend ausschmückt und tänzerisch in aufregenden Kostümen und mit energiegeladener Choreographie unterstreicht. Dank all dieser Talente kommt bei Rock Me Amadeus keine Langeweile auf, was nicht zuletzt auch den fabelhaften Hauptdarstellern zu verdanken ist, die auf dem eigens für dieses Musical gebauten Proszenium, das vier Sitzreihen weit in den Zuschauerraum hineinragt, Falcos Leben erzählen.

Moritz Mausser (Hauptbesetzung Hans) und Clemens Otto Bauer (Cover Hans), die ich bisher als Hauptdarsteller gesehen habe, vollbringen beide eine Meisterleistung in der Rolle von Hans Hölzel, in der wohl nicht viele Freiheiten bei der Darstellung erlaubt waren, da viele Österreicher:innen mit dieser Persönlichkeit bis zu einem gewissen Grad vertraut sind. Beide Darsteller schaffen es, Hans Hölzels Dialekt und seine unverkennbare Art zu sprechen und zu singen auf der Bühne als natürlich darzustellen; außer in den Momenten, wo es eben gekünstelt klingen soll. Sie brillieren nicht nur bei Falcos großen Hits sondern auch bei den eher unbekannten und teilweise für das Musical neu geschriebenen Songs. Besonders hervorzuheben ist hier Das Weiße Blatt Papier, bei dem die beiden Sänger im 1. Akt zeigen können, welchen Stimmumfang und welches Stimmvolumen sie haben. Moritz Mausser klingt bei manchen Liedern teilweise noch kraftvoller als Clemens Otto Bauer, was aber wohl dem Umstand geschuldet ist, dass er Falco schon wesentlich öfter gespielt hat. Beide Darsteller sind eine Offenbarung in dieser herausfordernden Rolle.

Schlussapplaus 2.3.2024: Franz Frickel, Katharina Gorgi, Clemens Otto Bauer, Michael Römer, Alex Melcher, Andreas Lichtenberger, Ensemble

Bühnenbild, Kulissen und Sichteinschränkung

Der gesamte Bühnenraum des Ronachers wird bei Rock Me Amadeus sehr beeindruckend genutzt. Eine große Rolle spielen dabei die Spiegel, mit denen die Wände links und rechts von der Bühne sowie die Decke darüber fast gänzlich verkleidet sind, und die den gesamten Raum noch tiefer erscheinen lassen, als er es ohnehin schon ist. Spiegel- und Glasflächen sind auch ein großer Bestandteil der beweglichen Kulissen, die von den Darsteller:innen oder der Bühnentechnik auf die Bühne geschoben oder von der Decke heruntergelassen werden. Dadurch ist alles einsehbar und jede Szene wird vervielfacht und dem Publikum aus verschiedenen Blickwinkeln gezeigt. Das gelungene Lichtdesign hebt die Hauptfiguren in jeder Szene deutlich aus der Spiegellandschaft hervor und präsentiert diese Menschen aus Fleisch und Blut in starkem Kontrast zur künstlichen und zerbrechlichen Welt, die sie umgibt. Zudem geben viele schnelle Szenenwechsel, eine oft eingesetzte Drehbühne und zahlreiche kreative Videoprojektionen auf der Rückwand der Bühne das Gefühl, dass diese Welt niemals stillzustehen vermag. Trotzdem erscheint das Gesamtgeschehen nicht überbordend, weil Bühnen-, Licht- und Videodesign genau aufeinander abgestimmt sind und gut ineinandergreifen. 

Das beeindruckendste Stück des Bühnendesigns ist ein Querschnitt von Falcos Kopf. Diese riesige Kulisse beherbergt nicht nur Falcos Alter Ego, sondern spielt auch in mehreren Szenen eine wichtige Rolle – manchmal mehr, manchmal weniger metaphorisch. Alleine um dieses eindrucksvolle, interaktive Stück Kulisse im Einsatz zu sehen, hat es sich für mich gelohnt, das Musical anzusehen.

Leider muss man bei Rock Me Amadeus aufgrund des imposanten Bühnendesigns zusätzliche Sichteinschränkungen im 2. Rang des Ronachers in Kauf nehmen. Die bereits von Haus aus eingeschränkte Sicht auf den äußeren Plätzen in der 1. Reihe ist durch einen der Spiegel, der am 2. Rang ganz vorne befestigt ist, noch weiter eingeschränkt worden. Auf diesen Plätzen kann man nur noch etwa 40% des Geschehens direkt auf der Bühne mitverfolgen; von den Projektionen auf der Rückwand der Bühne ganz zu schweigen. Durch die Spiegel an den Bühnenwänden und an der Decke darüber kann man sich zwar den Rest des visuellen Geschehens zusammenreimen, aber das Theatererlebnis auf diesen Plätzen (und möglicherweise auch auf anderen sichteingeschränkten Plätzen im Ronacher) ist großteils nur noch ein Hörerlebnis. Es empfiehlt sich, das Stück zumindest ein Mal von einem in der Mitte befindlichen Platz ohne Sichteinschränkung aus anzusehen.

Sicht von 2. Rang, Reihe 1, Platz 8

Falcos Alter Ego, Musical-Aufnahme und Live-Erlebnis

Wie in anderen VBW-Eigenproduktionen gibt es auch bei Rock Me Amadeus ein Alter Ego der Hauptfigur – eine dunkel anmutende Seite, die einen inspirierenden aber gleichzeitig zerstörerischen Einfluss auf ihre menschliche Hälfte hat. In Rock Me Amadeus ist diese Figur auf der Besetzungsliste buchstäblich als „Alter Ego“ angeführt und wird von Alex Melcher in der Hauptbesetzung gespielt. Auch wenn diese Figur bereits zu Beginn des Stückes auf der Bühne zu sehen ist, so hat sie ihren großen Auftritt erst im 2. Akt, in dem sie einige der besten Nummern singen darf, meistens im Duett mit Falco. Hierzu zählen das dramatische I Am You (bei dem es sogar mitten im Lied Applaus gibt), das herrlich wollüstige Dance Mephisto und das emotionale Finale mit Out of The Dark. Alex Melcher singt diese Lieder in seiner gewohnt rockigen Manier, und bildet mit seinem rauen Gesang einen hervorragenden Kontrast zu Moritz Maussers und Clemens Otto Bauers klaren Stimmen. 

Leider wird die Live-Gesamtaufnahme des Musicals, die im Dezember 2023 erschienen ist, vor allem Alex Melcher nicht gerecht. Bei einigen der aufgenommenen Liedern hat man das Gefühl, dass sein Mikrofon die Nuancen seine Stimme nicht richtig aufgenommen hat, was leider dazu führt, dass er auf der Aufnahme manchmal schwer zu verstehen ist – was im Theater nicht der Fall ist. Zudem erscheinen einige von Falcos Popsongs auf der Musical-Aufnahme generell in die Länge gezogen, wenn man das Stück nicht gesehen hat und das Geschehen auf der Bühne nicht darin einordnen kann. Dieses Gefühl kommt im Theater zum Glück nicht auf, weshalb es empfehlenswert ist, sich Rock Me Amadeus vor dem Anhören der Musical-Aufnahme live anzusehen.
Erfreulicherweise ist das durchaus sehenswerte Musical nun verlängert worden und wird auch in der nächsten Saison noch im Ronacher gespielt!