Der erste Eindruck vom Musical Dome in Köln
Zum Musicalerlebnis in Köln gehört nicht nur die Aufführung von Moulin Rouge! Das Musical, sondern auch der beeindruckend große und zum Verweilen einladende Eingangsbereich des Musical Domes, der mit einer großen Auswahl an Bars, Fotopoints und Souvenir-Ständen aufwartet. Hier dominiert passend zum Thema des Musicals bereits die Farbe Rot und die drei Ebenen des Foyers sind zudem mit einer exzentrischen Auswahl an unterschiedlichen Lichtquellen ausgestattet – von Pariser Straßenlaternen über Kronleuchter bis hin zu Disco-Kugeln. Dieses Design setzt sich im Auditorium fort, das vor und nach der Vorstellung sowie in der Pause relativ spärlich beleuchtet ist, damit das Auge gleich auf die imposante Ausstattung und Beleuchtung rund um die Bühne gelenkt wird. Es gibt hier nicht nur eine Windmühle mit beweglichen Armen und einen blauen Elefanten (kein Witz!) zu sehen, sondern auch mindestens zehn verschiedene Arten von Kronleuchtern, dutzende Lichterketten und viele unterschiedliche Rottöne zu entdecken, die gemeinsam ein schummriges Club-Milieu kreieren. Einen kleinen Eindruck von dem atemberaubenden Anblick, der sich somit bereits vor der Show im Auditorium des Musical Domes bietet, können die folgenden Bilder vermitteln:
Vor allem in Kombination mit der Musik ist die Beleuchtung bei Moulin Rouge etwas ganz Besonderes. Die Tausende von Leuchtkörpern, die hier im Einsatz sein müssen, unterstützen die Show in vielen Szenen im Takt der Musik und verwandeln zum Beispiel beim Elephant Love Medley am Ende vom ersten Akt das gesamte Auditorium zur Melodie von I will always love you in einen spektakulären Sternenhimmel mit einem funkelnden Eiffelturm in der Mitte.
Zum besonderen Musicalerlebnis trägt hier zudem die Preshow bei, die fünfzehn Minuten vor jeder Vorstellung beginnt. Ab diesem Zeitpunkt kann man eine Handvoll Darsteller:innen auf und um die Bühne herum beobachten, die teilweise Besucher:innen des Moulin Rouge (in Anzügen) und teilweise Mitarbeiter:innen dieses Clubs (mit etwas mehr nackter Haut) darstellen. Der Höhepunkt davon ist eine Demonstration von zwei Schwertschluckerinnen, die das Ende der Preshow einläutet. Ähnlich wie bei Bat out of Hell wird der eigentliche Beginn des Musicals dann vom Hauptdarsteller, der sich zuvor bereits als Besucher des Moulin Rouge auf der Bühne befindet, eingeleitet. Passend zur Club-Atmosphäre, die man hier vermitteln möchte, läuft im Auditorium sowie im Eingangsbereich des Musical Domes vor der Vorstellung sowie in der Pause dezent psychedelische Instrumentalmusik.
Generell hat das Auditorium im Musical Dome eine für diese Produktion passend intime, angenehme Größe, die es ermöglicht, auch von der letzten Reihe im Balkon noch jedes Gesicht auf der Bühne zu erkennen, und sich gut mit einbezogen zu fühlen, wenn Harold Zidler das Publikum zu Beginn des Stückes in La Cage aux Folles-Manier direkt anspricht. Ebenfalls erwähnt werden soll, dass die Sitzplätze im Musical Dome sehr gemütlich sind, eine wunderbare Beinfreiheit gewähren, und es sich daher durchaus lohnt, früher als üblich ins Theater zu kommen, um sich von der Magie des Moulin Rouge bereits vor dem Beginn des Musicals in den Bann ziehen zu lassen.
Die deutsche Übersetzung
Für Moulin Rouge in Köln wurden die 75 Popsongs, von denen der Großteil ausschnitthaft im Musical vorkommt, teilweise übersetzt: Bei den meisten Songs sind die Strophen komplett ins Deutsche übersetzt worden und nur der Refrain wird im englischen Original gesungen, während bei einigen Ausnahmen auch die Refrains übersetzt worden sind. Einzig die Lieder, von denen nur sehr kurze Ausschnitte im Musical vorkommen, sind gar nicht übersetzt.
Das Endergebnis ist, wenn man die Broadway-Version von Moulin Rouge im Ohr hat, manchmal sehr gewöhnungsbedürftig. An einige Mischungen aus englischen und deutschen Liedtexten kann man sich nur schwer gewöhnen, weil Texte, die sich im englischen Original reimen, in Köln aufgrund der bruchstückhaften Übersetzung nicht mehr wirklich fließen. Zum Beispiel ist aus „This woman is my destiny. – Shut up and dance with me!“ in Köln das etwas holprige „Das Schicksal hat uns im Visier. – Shut up and dance with me!“ geworden (aus Shut up and raise your glass). Das bedeutet nicht, dass die englischen Text-Ausschnitte in Köln gar nicht funktionieren – beim Elephant Love Medley etwa kann man es nur begrüßen, dass universal bekannte Textzeilen wie „All you need is love“ oder „I will always love you“ nicht übersetzt worden sind – aber oftmals erscheinen die englischen und deutschen Textmischungen einfach als unfertig.
Die vollständig ins Deutsche übersetzten Lieder hingegen haben stilistisch durchaus gelungene und spannende Texte und unterstützen die jeweiligen Szenen inhaltlich mehr, weil sie besser als eine halbfertige Übersetzung fließen. Eine meiner Lieblings-Übersetzungen ist „Kaltes Feuer lodert in mir auf“ für „There's a fire starting in my heart“ aus der deutschen Version von Crazy Rolling.
Lokalkolorit darf bei der deutschen Version von Moulin Rouge natürlich nicht fehlen. Hierfür wird die Szene genutzt, in der Christian in Paris ankommt und sein Songwriter-Talent unter Beweis stellen soll. Dabei zieht er unter anderem Ausschnitte aus Über den Wolken, Ich seh in dein Herz und Verdammt ich lieb dich aus dem Hut, die erwartungsgemäß für herzhaftes Gelächter sorgen.
Mehr Melodrama als in der Filmvorlage?
Am ersten Abend bei Moulin Rouge in Köln habe ich mich bei der finalen Szene gefragt, ob es tatsächlich möglich ist, dass das Musical noch melodramatischer ist als der gleichnamige Film – der Film von Baz Luhrmann, Meister der Opulenz, bei dem die Protagonistin am Ende tragisch in den Armen ihres Geliebten stirbt, während im Hintergrund der von ihrem grausamen Mäzen geplante Mordanschlag auf jenen Geliebten nur knapp durch einige alberne Zufälle vereitelt wird. Schwer vorstellbar, dass es noch melodramatischer gehen kann.
Jedoch: während es besagten Mordanschlag im Musical gar nicht gibt, versucht sich der Protagonist hier am Ende vor aller Augen selbst umzubringen, nachdem ihn seine Geliebte scheinbar verstoßen hat. Erst nachdem sie ihn mit ihrem gemeinsamen Lied (Come What May) vom Rande der Verzweiflung zurückgeholt hat, stirbt sie schließlich in seinen Armen. Am tragischen Ende hat sich bei der Bühnenversion also nichts geändert, aber während sich die Szenen, die im Film dem Finale vorangestellt sind, selbst nicht so ganz ernst nehmen, ertrinkt man auf dem Weg ins Finale des Musicals fast im Drama.
Zudem gibt es beim Musical am Schluss keine Trennung zwischen Metatheater und Theater – im Gegensatz zum Film, in dem zumindest der Tod der Protagonistin erst nach dem Fall des Vorhangs eintritt, gibt es im Musical am Schluss keine klare Linie zwischen dem Geschehen des im Musical aufgeführten Stücks und den Ereignissen danach. Dadurch wird das Melodrama-Level noch einmal gewaltig angehoben.
Allerdings wird die überbordende Dramatik des Musicals etwas durch die Rahmenerzählung (= die rückblickende Erzählung der Ereignisse durch den Protagonisten) gedämpft, die sich wesentlich von der Rahmenerzählung im Film unterscheidet. Im Film ist die Rahmenerzählung, die nur zu Beginn und ganz am Schluss vorkommt, die Erzählung aus dem Mund eines gebrochenen Mannes, der den Tod seiner Geliebten nicht überwinden kann – vor allem das Ende des Films wird somit komplett von dieser Tragödie überschattet.
Das Musical hingegen ist sich seiner ganzen Melodramatik durchaus bewusst (es ist „self-aware“, wie man es auf Englisch perfekt ausdrücken könnte): Erstens, weil die Rahmenerzählung öfter vorkommt und somit auch zwischendurch erlaubt, emotional etwas Abstand vom Geschehen zu nehmen, und zweitens, weil sie einen völlig anderen Ton als die tragische Erzählung im Film hat. Der Protagonist im Musical erzählt seine Geschichte, die der Protagonistin und des Moulin Rouge indem er in einigen Szenen gänzlich aus seiner Rolle heraustritt, und von Emotionen losgelöst und zum Sinn der Unterhaltung die vierte Wand durchbricht. Zu Beginn des zweiten Akts etwa fordert er das Publikum auf, sich an die erste große Liebe zu erinnern, da somit der in diesem Akt folgende (ich zitiere) „Wahnsinn“ leichter zu verstehen sein wird. Ganz am Ende des Musicals steht darum auch weniger die herzzerreißende Liebestragödie als das Fortbestehen des Zaubers des Moulin Rouge im Vordergrund.
Die Besetzung in Köln
Jonas Hein (Vorstellung am 25.10.) ist eine fantastische Erstbesetzung für Christian und ich kann mir nicht vorstellen, dass er Aaron Tveit in dieser Rolle stimmlich um vieles nachsteht. Aber auch Daniel Eckert (Matinee am 26.10.) überzeugt als Christian und hat seine Sternstunde im ersten Akt vor allem bei seiner hinreißenden Interpretation von Your Song und im zweiten Akt bei Chandelier-Roxanne-Crazy Rolling (= der Höhepunkt des Musical), bei dem er mit etwas, das man am besten als „growling voice“ bezeichnen kann, total unter die Haut geht.
In der Rolle von Satine hat mir am besten Chayenne Lont in der Matinee am 26.10. gefallen, die sogar das technisch herausfordernde Fireworks mit sehr viel Gefühl einwandfrei dargebracht hat. Sie brillierte zudem stimmlich gemeinsam mit Daniel Eckert vor allem im Elephant Love Medley bei dem schwierigen Part, der mit „All of this music breaks my heart“ eingeleitet wird – von diesen beiden Sänger:innen durfte ich an diesem Tag die erste völlig astreine Live-Version dieses Parts hören.
In Kombination mit Chayenne Lonts Satine hat es mir bei dieser Vorstellung zudem Oliver Huether als Harold Zidler angetan, da man ihm in Satines und Zidlers gemeinsamen Szenen in dieser Cast-Kombination vor allem die sehr menschliche Seite des Entrepreneurs gut abnehmen konnte.
Ebenfalls herausgestochen sind Michael Anzalone als Toulouse-Lautrec und Matt Posada als Duke of Monroth, auch wenn ich bei beiden Sängern zu Beginn ihrer ersten Soloparts kurzzeitig das Gefühl hatte, dass diese Parts für sie zu tief sind bzw. dass ihre Mikrofone ihre Stimme nicht richtig aufgenommen haben – möglicherweise lag das aber an der teilweise seltsamen Tonaussteuerung im Balkon (mehr dazu im nächsten Abschnitt). Nach ihrem etwas wackligen Beginn haben sie mich dann aber beide stimmlich und schauspielerisch mitgerissen. Michael Anzalone hat zudem das Glück, dass er die berührende Nummer Nature Boy gemeinsam mit dem jeweiligen Christian singen darf, die bei jeder Vorstellung das erste Lied war, das mich zu Tränen gerührt hat.
Vini Gomes als Santiago sei auch noch erwähnt, der hier wohl endlich die perfekte Bühne für seine rauchige Stimme gefunden hat und sein Talent vor allem bei Backstage Romance – nach Chandelier-Roxanne-Crazy Rolling erwartungsgemäß die beste Nummer des Musicals – zeigen kann.
![]() |
Schlussapplaus am 26.10.24 (Matinee) |
![]() |
Daniel Eckert und Chayenne Lont, 26.10.24 (Matinee) |
Der Sound im Musical Dome
Die Tonaussteuerung im Balkon im Musical Dome ist in manchen Szenen leider etwas merkwürdig. Die Instrumentalmusik wird beim Finale einiger Lieder, die besonders bombastisch enden, verstärkt über direkt über dem Mittelblock befindliche Boxen eingespielt. Das mag vielleicht im Mittelblock in diesen Momenten für ein eindrucksvolles, immersives Sounderlebnis sorgen, aber wenn man seitlich des Mittelblocks sitzt, dann fragt man sich beim ersten Besuch im Musical Dome gelegentlich, warum der Bläser- und Streicher-Sound plötzlich verstärkt von links bzw. rechts kommt. Von ausgeglichenem Surround Sound kann man im Balkon im Musical Dome also nicht wirklich reden. Zudem finden diese speziellen Sound-Einspielungen in einer Lautstärke statt, die gelegentlich über die Sitze zu spüren ist – die Mitnahme von Ohrstöpseln für akustisch sensitive Personen ist also durchaus empfehlenswert.
Zum Thema Sound muss auch noch erwähnt werden, dass die Mikrofone der Hauptdarsteller:innen an beiden Abenden ein bis zwei Mal für einen kurzen Moment ausgefallen sind. Da das Auditorium des Musical Domes nicht sehr groß ist, und es sich am 25. und 26.10. bei diesen nur ein paar Sekunden dauernden Momenten um relativ ruhige Sprech-Szenen gehandelt hat, hat man das Gesprochene zum Glück trotzdem noch erahnen können. Es ist allerdings nichts sehr vertrauenswürdig, dass dieses technische Missgeschick bei beiden meiner Theaterbesuche im Musical Dome passiert ist.
Fazit & Sitzplatz-Tipp
Es spricht einiges für Moulin Rouge im Musical Dome in Köln, das es bei der Londoner Produktion oder am Broadway meiner allgemeinen Musical-Erfahrung nach so wahrscheinlich nicht gibt: Die intime und gemütliche Atmosphäre in Köln ist für mich definitiv dem Gefühl der Massenabfertigung in den Broadway-Theatern vorzuziehen; genauso wie dem Gefühl, sich in einem der alten, hohen Londoner Theater unendlich weit von der Bühne entfernt in einen viel zu kleinen, klapprigen Theatersessel zwängen zu müssen.
Neue bzw. renovierte Musical-Spielstätten in Deutschland schaffen es immer wieder, mich durch ihre weitläufigen Eingangsbereiche, ihre gemütlichen Sitze und die einwandfreie Sicht von nahezu allen Plätzen zu verblüffen und für sich einzunehmen. Diese Punkte sprechen also neben der eigentlichen Show, bei der natürlich alle Beteiligten 100% geben, für Köln; sofern man sich nicht von den deutsch-englischen Text-Mischungen und der Tonaussteuerung im Balkon ablenken lässt.
Neue bzw. renovierte Musical-Spielstätten in Deutschland schaffen es immer wieder, mich durch ihre weitläufigen Eingangsbereiche, ihre gemütlichen Sitze und die einwandfreie Sicht von nahezu allen Plätzen zu verblüffen und für sich einzunehmen. Diese Punkte sprechen also neben der eigentlichen Show, bei der natürlich alle Beteiligten 100% geben, für Köln; sofern man sich nicht von den deutsch-englischen Text-Mischungen und der Tonaussteuerung im Balkon ablenken lässt.
Ein Hinweis noch: Kein Geld der Welt könnte mich dazu bewegen, bei Moulin Rouge im Musical Dome an den sogenannten „Can Can! Tischen“ vor der ersten regulären Sitzreihe Platz zu nehmen. Dort ist man zwar wahrlich mitten im Geschehen und kann u. a. Fingerfood während der Vorstellung genießen, aber durch die extreme Nähe zur Bühne bekommt man einige visuelle Höhepunkte der Aufführung (vor allem bei Chandelier-Roxanne-Crazy Rolling!) nur mit, wenn man sich umdreht, weil sich die Action relativ oft auf dem Steg hinter den „Can Can! Tischen“ abspielt (s. Fotos oben). Für ein visuell gesamtheitliches Erlebnis ist ein Platz, der sich nicht ganz so nah an der Bühne befindet, wesentlich empfehlenswerter.