Ihr Name klingt in mir wie ein Lied!
Winzendorf bei Wiener Neustadt, das mir bis zum vergangenen Jahr nur durch seine Karl May Festspiele im hauseigenen Steinbruch bekannt war, stellt unter der Intendanz von Marika Lichter seit 2017 auch Musicalproduktionen auf die Beine. Dieses Jahr ist 3 Musketiere an der Reihe, ein Mantel-und-Degen-Musical mit Musik von Rob & Ferdi Bolland (Jeanny, Rock me Amadeus), das vor 15 Jahren in Rotterdam uraufgeführt wurde.
Der Steinbruch Winzendorf eignet sich fantastisch für diese Art von Abenteuermelodram, weil er deutlich mehr Möglichkeiten als eine gewöhnliche Musicalbühne bietet:
– Die "Bühne" bietet hier so viel Platz, dass selbst das aus ca. 15 Musikerinnen und Musikern bestehende Jam Music Lab Orchester Teil der Szenerie werden kann.
– Es gibt trotz des statischen Bühnenbildes mehrere Bühnenebenen sowie ein halbes Dutzend gut genutzter Ein- und Ausgänge.
– Die Dramatik kann nach Belieben durch den Einsatz von Nebelmaschinen, Springbrunnen und Flammenwerfern unterstrichen werden.
– Die Location ist für Pferde zugänglich, was 3 Musketiere mit den in nahezu jeder Szene einsetzbaren, augenscheinlich sehr gut trainierten Tieren den perfekten Abenteuer-Akzent verleiht.
Für die diesjährige Musicalproduktion konnten einige Darstellerinnen und Darsteller wiedergewonnen werden, die schon im vergangenen Sommer bei der Erstproduktion des Musicals Zorro mit dabei waren. Neben diesen in Winzendorf bereits bekannten Stimmen und Gesichtern hat man für 3 Musketiere auch einige Darstellerinnen und Darsteller aus verschiedenen Ensembles der Vereinigten Bühnen Wien rekrutiert. Und um nicht nur Musicalfans in den Steinbruch zu locken, hat man Zoe Straub, die Österreich 2016 beim Eurovision Song Contest vertreten hat, als Constance engagiert.
Zoe Straub hat weder die stimmlichen Kapazitäten der übrigen Hauptdarstellerinnen und Hauptdarsteller noch deren klare und deutliche Aussprache, aber ihre kesse, sowie zugleich verlegene und erfrischend natürliche Art und Weise wie sie die Constance spielt, passt perfekt zu dieser Rolle. Schauspielerisch harmoniert sie wunderbar mit ihrem männlichen Gegenpart Christopher Dederichs, und sie ist bei der Vorstellung am vergangenen Sonntag nur bei ihrem gemeinsamen Liebesduett Alles neben ihm untergegangen.
Christopher Dederichs, der in der vergangenen Saison in Tanz der Vampire als Zweitbesetzung Alfred im Ronacher auf der Bühne gestanden ist, spielt einen D'Artagnan, wie er im Buche steht: ungestüm, frech, mutig und ohne mit der Wimper zu zucken ist er dazu bereit, sich um der Musketiere Ehre willen ins Verderben zu stürzen. Seine glanzvollsten Momente sind jene, in denen er wieder einmal durch seine lose Zunge oder (seltener) durch Pech in Schwierigkeiten gerät und sich entweder mit Slapstick oder mit Dialogwitz aus einer prekären Situation retten muss.
Während Christopher Dederichs – gleich wie alle anderen Darstellerinnen und Darsteller – am vergangenen Sonntag vor allem zu Beginn des Stücks damit zu kämpfen hatte, dass er keinen Blickkontakt mit dem Orchester, das hinter den Sängerinnen und Sängern auf der Bühne sitzt, aufnehmen konnte, wurde sein Zusammenspiel mit allen Beteiligten im Lauf des Stücks immer besser, bis er im 1. Akt mit Constance seine Höchstleistung erreichte. Bei diesem schwungvollen Liebeslied, das perfekt durchchoreographiert ist, versprühte er derart viel Esprit und Freude, dass die in dieser Szene verbreitete ausgelassene Stimmung für mich noch bis zum 2. Akt anhielt.
Für die Rolle der Titelhelden konnten Christoph Apfelbeck (Athos), Florian Fetterle (Aramis) und Dirk Siebenmorgen (Porthos) gewonnen werden, deren gemeinsames Schauspiel und Gesang herrlich anzusehen und anzuhören ist, die aber auch brillant jene Elemente, von denen 3 Musketiere getragen wird, in den Vordergrund rücken: Freundschaft, Loyalität und Bereitschaft zum Abenteuer. Mit ihren gewandten Zungen und schimmernden Degen werden sowohl Feind als auch Freund einige (notwendige) Verletzungen zugefügt – und mit dem hitzköpfigen D'Artagnan findet ein ungemein herzliches Zusammenspiel statt.
Zusätzlich zu ihrer – durch ihren starken Sinn für Ehre und gemeinsamen Humor bestärkten – Einigkeit hat jeder der drei Musketiere auch noch einen bestimmen Charakterzug, der hier von jedem Darsteller passend eingesetzt wird. Christoph Apfelbeck darf als Athos – jener Musketier mit dem gebrochenen Herzen und der düsteren Vergangenheit – ein äußerst beeindruckendes Engel aus Kristall singen, bei dem er auf der weitläufigen Steinbruch-Bühne vom Ensemble unterstützt wird, das die von ihm erzählte Geschichte mit Tanzelementen visuell wiedergibt.
Mylady de Winter, jener "Engel aus Kristall", wird von Lisa Antoni dargestellt, die sowohl gesanglich als auch schauspielerisch fast alle Darstellerinnen und Darsteller mühelos in den Schatten stellt. Bei der Darbietung ihrer Lieder wird der Zuhörerin bzw. dem Zuhörer so richtig bewusst, dass 3 Musketiere für ein volles Orchester geschrieben wurde, und man beginnt sich in jenen Augenblicken nach ein paar Violinen zu sehnen.
An Lisa Antonis Seite steht Armin Kahl als Kardinal Richelieu, der eine weitere Idealbesetzung ist: Selbst in seiner finalen Szene, in der seine Intrigen bereits vom König aufgedeckt worden sind, verliert er nicht die Fassung oder gar die Kontrolle über seine respekteinflößende Stimme, und hält weiterhin mit eiserner Gelassenheit auf sein Ziel zu. Genau wie Lisa Antoni weiß Armin Kahl all seine hohen schauspielerischen Qualitäten perfekt einzusetzen und lotet mit sichtlich Spaß an seiner Rolle seine stimmlichen weit reichenden Höhen und Tiefen aus – was den Umstand, dass die Aussteuerung im Steinbruch Winzendorf in einigen prägnanten Szenen zu wünschen übrig lässt, sehr traurig macht, da der Kardinal in seinen visuell und musikalisch eindrucksvollsten Szenen (Glaubt mir! und unglaublich intensiv inszeniert: Nicht aus Stein) zeitweise vom Ensemble übertönt wird.
In der Darstellerriege nicht unerwähnt bleiben sollen auch Sarah Zippusch – deren Königin Anna sich sowohl gesanglich als auch schauspielerisch mehr Spielzeit auf der Bühne verdient hätte (Highlight: Wer kann schon ohne Liebe sein?) – und Florian Klein als Conférencier, der am vergangenen Sonntag zwar beim Prolog 1. Akt noch ein wenig atemlos klang, aber nichtsdestotrotz vortrefflich und sehr einnehmend gesungen hat.
Das Leistung des gesamten Gesangsensembles befindet sich auf einem superben Niveau, das man bei manch größeren Musicalproduktionen, die ebenfalls nur über einen kurzen Zeitraum laufen, oftmals schmerzlich vermisst.
Schmerzlich vermisst man als 3 Musketiere-Fan bei dieser Produktion nur das sogar für ein Musical außergewöhnlich dramatische Ensemble-Lied Die Überfahrt, das man allerdings mit dem Maß an Kreativität, das hier in Winzendorf zur Verfügung steht, sicherlich ebenfalls auf die eine oder andere Art und Weise inszenieren hätte können.
Ansonsten seien negativ nur noch manch "ungenau" ausgeführte bzw. fehlgeschlagene Stunts/Slapstick-Momente dieser Produktion erwähnt. Fechten in Slow-Motion - ich sage nur: netter Versuch.
Ansonsten bietet der Musicalsommer Winzendorf dieses Jahr in einer äußerst eindrucksvollen Location ein mitreißendes Musical, das so richtig Lust auf Abenteuer weckt, mit seiner breiten Palette an Humor für jeden etwas dabei hat, und im 2. Akt auch noch gehörig auf die Tränendrüse zu drücken versteht.
Ansonsten bietet der Musicalsommer Winzendorf dieses Jahr in einer äußerst eindrucksvollen Location ein mitreißendes Musical, das so richtig Lust auf Abenteuer weckt, mit seiner breiten Palette an Humor für jeden etwas dabei hat, und im 2. Akt auch noch gehörig auf die Tränendrüse zu drücken versteht.
Ein Abend für alle und alle für einen Abend!
Beide in 3 Musketiere vorkommenden Todesszenen sind bei dieser Produktion sehr emotional inszeniert: jene von Zoe Straub, weil sie in den Armen von Christopher Dederichs "stirbt", während dieser eine herzzerreißende, perfekt intonierte a-cappella-Version von Alles singt; und jene von Lisa Antoni, deren Figur es nicht erträgt, dass sie ihr Liebesglück mit Athos erneut selbst zerstört hat und sich vor seinen Augen das Leben nimmt – nach einem unglaublich gefühlvollen Wo ist der Sommer?, dessen zweite Strophe von Christoph Apfelbeck mit einer passenden Engel aus Kristall-Reprise untermalt wird.
Zwei herzzerbrechende Szenen, die ohne jeglichen Bombast fabelhaft gelungen sind und mir unvergesslich bleiben werden.
Und auch das für ein Melodram ungewöhnlich melancholische Ende meistern die – schlussendlich – vier Musketiere mit Bravour, und schaffen es, den Abend ohne Pomp ausklingen zu lassen (Vater-Reprise/Epilog). In der finalen Szene am Grab von D'Artagnans Vater stehen trotz aller erlittenen und noch nicht gänzlich verdauten Übel für die Musketiere wiederum jene Dinge im Vordergrund, für die sie am berühmtesten sind: Kameraderie und Zusammenhalt in jeder Gefahr!