I am the one who held you, I am the one who cried
Zehn Jahre nach seiner Broadway-Premiere wird das Musical Next to Normal erstmals in der englischen Fassung im Vienna's English Theatre aufgeführt. Das Bühnenstück von Brian Yorkey (Lyrics/Book) und Tom Kitt (Music), das sich um Diana Goodman dreht, die versucht, trotz ihrer bipolaren Störung ein „normales“ Familienleben für ihren Mann und ihre Tochter in Gang zu bringen, ist u.a. zwar schon 2016 mit der Originalbesetzung der deutschen Erstaufführung im Museumsquartier gezeigt worden, allerdings hat noch keine Aufführung des Musicals bis dato in Wien in einem so intimen Rahmen wie im Vienna's English Theatre stattgefunden. Wer das „Original“ nicht kennt, der wird bei dieser ausgezeichneten Produktion, die bedauernswerterweise nur für eine Woche läuft, nichts vermissen.
Diana Goodman probiert im Lauf des Stücks mehrere großteils fehlschlagende Behandlungsmethoden für psychische Erkrankungen aus, während vor allem ihre Tochter Natalie damit zu kämpfen hat, dass sich in ihrem Leben alles immer nur um Diana dreht, und ihr Mann Dan einfach nur noch versucht, die Familie am Zerbrechen zu hindern.
Durch eine Vielzahl an schnell wechselnden Pop-/Rock-Melodien werden die Gefühlsschwankungen von allen Beteiligten zur Geltung gebracht. Hier lässt sich die Kritik anbringen, dass Next to Normal dutzende Melodien vorstellt, die – sofern sie möglichst früh im Musical vorkommen – zwar bis zum Ende fast alle eine Reprise bekommen, allerdings immer nur eine sehr kurze Laufzeit haben (Beispiel: Why stay? = 0:50 Minuten). Vor allem im 1. Akt reiht sich eine schwungvolle ein- bis dreiminütige Nummer an die nächste, wodurch viele kreative Melodien leider ein wenig in den Hintergrund gedrängt werden.
Durch eine Vielzahl an schnell wechselnden Pop-/Rock-Melodien werden die Gefühlsschwankungen von allen Beteiligten zur Geltung gebracht. Hier lässt sich die Kritik anbringen, dass Next to Normal dutzende Melodien vorstellt, die – sofern sie möglichst früh im Musical vorkommen – zwar bis zum Ende fast alle eine Reprise bekommen, allerdings immer nur eine sehr kurze Laufzeit haben (Beispiel: Why stay? = 0:50 Minuten). Vor allem im 1. Akt reiht sich eine schwungvolle ein- bis dreiminütige Nummer an die nächste, wodurch viele kreative Melodien leider ein wenig in den Hintergrund gedrängt werden.
Während vor allem im 1. Akt von Next to Normal viele lustige Situationen und originelle Dialoge oft für gehobene Stimmung sorgen, ist doch im Verlauf des gesamten Musical die Verzweiflung aller Beteiligten, die immer knapp unter der Oberfläche brodelt, spürbar. Dieses Gefühl steht gemeinsam mit dem Verlangen der Protagonistinnen und Protagonisten nach einem „normalen Leben“, das allerdings niemand von ihnen genau definieren kann, dauerhaft im Vordergrund.
Aber trotzdem hat man als Zuschauerin und Zuschauer nie das Gefühl durch das Geschehen auf der Bühne deprimiert zu werden. In Next to Normal ist durchgehend der Balanceakt zwischen zu Tränen rührenden, die Welt stillstehen lassenden Momenten und die Story vorantreibenden, mitreißenden Szenen gelungen.
Diana Goodman wird in Vienna's English Theatre von Suzanne Carey gespielt, die ein sechsköpfiges Team von Darstellerinnen und Darsteller anführt, von denen jede Einzelne und jeder Einzelner derart deutlich singt, dass man sich das Stück vorher nicht einmal angehört haben muss, um jedes Wort zu verstehen (was bei kleineren Musicalproduktionen leider nicht oft vorkommt – meist allerdings aufgrund der bescheidenen Technikausstattung). Während die Auswüchse von Dianas psychischer Erkrankung zu Beginn der gestrigen Vorstellung von Next to Normal oftmals für übertriebenes (und möglicherweise peinlich berührtes) Gelächter gesorgt haben, haben die meisten Besucherinnen und Besucher bald erkannt, dass wesentlich mehr als komödiantisches Talent hinter der Darstellung dieser Figur steckt: Suzanne Carey nuanciert Dianas Charakter in jeder Szene – sei sie tragisch oder lustig angelegt – bis ins kleinste Detail und unterstreicht diese Nuancierungen mit perfekter Wiedergabe aller im Songbook stehenden Noten.
Ihre berührendsten Momente hat sie gemeinsam mit Kevin Perry (Dan Goodman) und Helena Lenn (Natalie Goodman), die beide darstellerisch und gesanglich in diesem Stück meiner Meinung nach – genau wie Suzanne Carey – einfach überwältigend sind.
Alex Wadham darf zwischen den Figuren von Dianas behandelnden Ärzten bzw. Psychotherapeuten und „Dr. Rock“ wechseln, und tut dies mit solch glänzendem Einsatz von schauspielerischem und stimmlichem Talent, dass ich ihn am liebsten gleich noch einmal in diesen Rollen sehen würde.
Unterstützt werden die Darstellenden musikalisch von einer fünfköpfigen Band, die sich im Vienna's English Theatre leider das ganze Stück über ungesehen im rückwärtigen Teil des Theaters aufhalten muss, mit seiner musikalischen Leistung aber keineswegs verstecken muss.
Hervorragend sind bei dieser Produktion vorrangig alle Ensemblenummern, angefangen bei Just another Day über Catch me I'm falling bis zu Light. Die Kombination von Suzanne Careys, Kevin Perrys und Kilian Bergers (Gabe Goodman) Stimmen in You don't know/I am the One ist eines der absoluten Highlights der Show. Von den (Semi-)Solonummern des 1. Akts haben mich Suzanne Careys I Miss the Mountains und Kevin Perrys I've been am meisten berührt.
So richtig das Herz gebrochen hat mir Suzanne Carey dann im 2. Akt mit einem von der Band nur dezent akzentuierten So Anyway, bei dem es interessanterweise dem Publikum selbst überlassen wird, zu entscheiden, welchem Familienmitglied Diana am Ende dieser Geschichte ihre Liebe versichert und von wem sie sich verabschiedet.
Wenn Next to Normal länger in Vienna's English Theatre laufen würde, dann würde ich es mir auf alle Fälle noch einmal anschauen. Wer Glück hat, der kann heute vielleicht noch Tickets für die letzte Vorstellung ergattern.