5.2.19

Jan Ammann – A Musical Love Story 4.2.2019, Theater Akzent

Schmachten nach alten und neuen Geschichten

Das Spektrum von Jan Ammanns A Musical Love Story im Theater Akzent reichte von Evergreens, die man bei jedem Musicalkonzert im deutschsprachigen Raum zu hören bekommt, bis zu Songjuwelen, die für gewöhnlich nur beim Besuch des betreffenden Bühnenstücks live erlebt werden können.

(c) Sound of Music GmbH
Jan Ammann eröffnete das Konzert gestern mit Where do I begin? (Love Story), begleitet am Flügel von einer wie üblich erlesen in die Tasten greifenden Marina Komissartchik. Als stimmliche Ergänzungen waren bei dieser Konzertreihe Musicalsängerinnen Lisa Habermann und Michaela Schober, sowie Jan Ammanns Kollege Jan Rekeszus zugegen. Nach einem sehr stimmigen Can you feel the love tonight? für vier Stimmen wurde das Publikum in den ersten Musicalschwerpunkt des Abends eingeführt: Frank Wildhorns Dracula. 
Mit dem Übersetzungstext von Roman Hinze bestückt förderten Lisa Habermann, Jan Rekeszus und Jan Ammann Stücke aus diesem Musical zutage, die man normalerweise nur im Rahmen eines Besuchs desselbigen zu hören bekommt: unter anderem Whitby Bay und Wär' ich der Wind – Lieder, die sowohl für die jeweilige Sängerin und den jeweiligen Sänger, als auch für die ein ganzes Orchester imitierende musikalische Begleiterin sehr fordernd schienen, aber von allen mit Bravour gemeistert wurden. 
Dracula bildete einen Programmpunkt, bei dem sich alles um verhängnisvolle Liebe drehte, von der sich bis zum Schluss keine der Protagonistinnen und keiner der Protagonisten befreien konnte.

Im nächsten Abschnitt des Konzerts ging es um alles überwindende Liebe, wie jene von Molly und Sam in Ghost – Das Musical.
Mit einem sehr stimulierenden Hier und Jetzt legten Lisa Habermann und Jan Ammann den Grundstein für diese tränenreiche Erzählung, die nach einem herzzerreißenden Du in einer zweistimmigen Unchained Melody gipfelte, welche mit viel Taschentüchergeraschel im Publikum belohnt wurde.

Der dritte Programmpunkt war entgegen der asketischen Lebensvorschriften der im betreffenden Stück agierenden Personen etwas ausschweifend: Aus Die Päpstin wurden neben den „gewöhnlichen“ Liebesliedern auch Stücke vorgetragen, in denen es um Selbstliebe und Liebe zu Gott ging.
Michaela Schober bewies bei Einsames Gewand und Hier stehe ich einmal mehr, mit welcher Präzision sie ihre machtvolle Stimme entfalten kann, während Jan Rekeszus ein Lied singen durfte, von dem ich mir nie geträumt hätte, es bei einem – beziehungsweise diesem – Musicalkonzert zu Ohren zu bekommen: Hinter hohen Klostermauern, ein malerisch nachdenkliches Stück, das uns mit wenigen einfachen Worten die Welt, ihre Bewohner und deren Vorstellungen vom Leben näher brachte. 

In die zweite Hälfte des Konzerts wurde mit dem obligatorischen Tanz der Vampire-Block gestartet, welcher bei vielen Musicalkonzerten anscheinend nur mehr schwerlich ernsthaft dargebracht werden kann. Auch bei Jan Ammanns A Musical Love Story wurden sowohl während Draußen ist Freiheit, als auch bei Totale Finsternis haufenweise von allen Darstellern Kapriolen gemacht.
Eine nur bedingt erquickende Erfrischung für Tanz der Vampire-Fans, bei der sich manche vielleicht eher die Frage stellten, wie weit die Lieder des Kultmusicals in den nächsten Jahrzehnten bei jeder Konzertaufführung noch denaturiert werden können.

Auf Tanz der Vampire folgte ein Konzertabschnitt, der geprägt war von der Vielfalt der Liebe, wie zum Beispiel erblühende Liebe in Mehr will ich nicht von dir aus Das Phantom der Oper, rettende Liebe in Jenseits der Nacht aus Rebecca, oder aber auch bedingungslos ergebene Freundschaft, die mit der Liebe verwandt ist, wie in Freundschaft aus Ludwig².
Ob es zeitgemäß war, dass an diesem Konzertabend das einzige mit Faxen beladene Lied (außer der Darstellung von Tanz der Vampire) jenes war, das mit einem Kuss zwischen zwei Männern endete, darf jeder selbst entscheiden. Ich persönlich empfand die Reaktion der Darsteller als überzogen.

Das letzte große Thema des Abends war Doktor Schiwago, das Musical, in dem Jan Ammann seit vergangenem Jahr die Hauptrolle spielt. Hier wurde mir eine der interessantesten „musicalischen“ Unternehmungen seit Langem vorgestellt. Das Musical mit der Musik von Lucy Simon, das 2011 am Broadway uraufgeführt wurde, kann sich natürlich nicht mit der psychologischen Vielschichtigkeit seiner Romanvorlage messen, aber es vermochte uns doch mit nur einer Handvoll äußerst gelungener Takte in ein Klima aus Schnee und Kälte zu versetzen, es ließ uns mit dem Klang einer einsamen Stimme spüren, was Zerrissenheit bedeutet, und überdies führte es uns die Unerbittlichkeit der Liebe vor Augen.

Einen Abschluss fand der Abend mit einem ergreifend im Quartett vorgetragenen Somewhere aus der West Side Story und einem stimmungsvollen im und gemeinsam mit dem Publikum gesungenen True Love (Cole Porter).

Jan Ammanns A Musical Love Story war ein märchenhafter Abend im Theater Akzent, an dem ich als Besucher einige bekannte Wege beschritten habe und doch oftmals einen neuen Himmel erblicken konnte.


Einziger Dämpfer des Abends:
Jener Besucher, der während der ersten 15 Minuten des Konzerts im Parkett dreimal aus- und einging, und dann auf seinem Platz auf seinem hellerleuchteten Handy herum„spielte“, bei dem nicht einmal der Ton ausgeschaltet war, entpuppte sich gegen Ende des Abends als Andreas Luketa.
Traurig, miterleben zu müssen, dass der Geschäftsführer der Sound of Music GmbH und Manager Jan Ammanns gestern für seine Künstlerinnen und Künstler, sowie für das zahlende Publikum null Respekt aufbringen konnte.